Politik versus Pädagogik

 

Politik versus Pädagogik Marian Heitger, Erziehungswissenschafter, kritisiert den Integrations-Druck auf ausländische Kinder. "Die Presse": Wird die Kürzung von Lehrer-Planstellen Auswirkungen auf die Qualität der Bildung haben? Erziehungswissenschafter Marian Heitger: In der Schule wird viel gemacht, was nicht hingehört. Zum Beispiel viele Formen des Projektunterrichts. Etliche Direktoren fürchten um den Weiterbestand von Angeboten, etwa der Nachmittagsbetreuung. Heitger: Die Schule muß ein Ort des Lernens bleiben und nicht der Aufbewahrung. In Wien gibt es einen hohen Anteil von Schülern anderer Nationalitäten. Wie kann Integration funktionieren? Heitger: Viele glauben, Integration ist ein räumliches und zeitliches Beieinander-Sein. Ein Kind ist noch nicht integriert, wenn es mit anderen in derselben Klasse sitzt. Wieso sollen andere Menschen genötigt werden, sich zu integrieren? Sie wollen eben ihr Kopftuch tragen. Das ist eine Frage der Toleranz und nicht der zwangsweisen Anpassung. Nimmt man Kindern nicht Chancen, wenn sie in einem Land leben, dessen Sprache sie zum Beispiel nicht beherrschen? Heitger: Natürlich müssen sie die Sprache des Gastlandes lernen. Gleichzeitig aber haben sie das Recht, ihre Sprache zu pflegen. Auch müssen sie sich an Sitten und Gebräuche, was die Gesetze betrifft, anpassen. Wie ist die Rolle des Lehrers? Heitger: Den Lehrern wird generell die Möglichkeit genommen, daß ihre Autorität von Schülern anerkannt wird. Autorität heißt dabei die Fähigkeit des Argumentierens. Gerade in Wien haben zum Beispiel junge Lehrer Angst davor, in einem Polytechnikum zu unterrichten. Was würden Sie sich von der Bildungspolitik wünschen? Heitger: Ich wünsche mir eine Bildungspolitik, die den ganzen Menschen im Auge hat, der in der Lage ist, den Herausforderungen in Zukunft gewachsen zu sein. Die Politik hat keinen Machtanspruch darauf, was Bildung ist. Politik hat sich nicht in die Pädagogik einzumischen. Sie hat aber den Raum für Bildung zu schaffen.